• Drucken

 

 

Vorwort


vom Leiter des Museums, Werner Fischer.

 Bei Aufenthalten in anderen Ländern, besonders im Urlaub, begegnen wir überwiegend netten, freundlichen Menschen, mit denen wir uns gern austauschen möchten.

 Wir meinen, Brüderlichkeit zu praktizieren.

 Zuhause aber in unserem Heimatland differenzieren wir zwischen Einheimi­schen und Ausländern. Unterschiede in der Hautfarbe oder Religion können schon Elemente sein, die für viele nicht kontaktförderlich sind, ja, vielleicht sogar auf Ablehnung stoßen.

 Haben wir Christen, Muslime und Juden nicht den gleichen religiösen Stamm­vater Abraham? Warum ist es für uns Deutsche besonders schwer, persönliche Kontakte mit Juden zu pflegen bei so vielen religiösen Gemeinsamkeiten?

 Bei unseren Begegnungen müssen wir die Kraft aufbringen, nicht ständig über die Vergangenheit zu reden. Wenngleich wir diese nicht vergessen dürfen, gilt es doch, zu einem natürlichen Verhältnis zu finden; denn auch der Jude ist mein Bruder. Wir sind alle Geschöpfe Gottes. 

Es ist an der Zeit, Brücken der gegenseitigen Verständigung anzubieten, um uns besser kennenzulernen und besser zu verstehen. Dieses Anliegen zu ver­mitteln, dazu diente die Ausstellung „Jüdisches Kultgerät - Jüdisches Leben" in Ahlen/Westfalen.

 Mein besonderer Dank gilt dem Bürgermeister der Stadt Ahlen, Herrn Günter Harms, der von der ersten Stunde an diese Idee und deren Umsetzung mit Rat und Tat wohlwollend unterstützte.

Er gilt auch dem vorbereitenden Arbeitskreis zur Woche der Brüderlichkeit, Ahlen, der Jüdischen Kultusgemeinde Münster, Herrn Sharon Fehr, für die Unterstützung und die harmonische, brüderliche Zusammenarbeit.

 Unser aller Dank gilt aber den Leihgebern, unseren 18 Partnern, die es erst er­möglicht haben, eine solche Ausstellung mit fast 100 Judaica-Exponaten - zum Teil kunsthistorisch wie museal - von west- und osteuropäischem Rang in Ahlen/Westfalen im Museum im Goldschmiedehaus zu präsentieren.

 Der große Besuchererfolg und die Qualität vieler Exponate rechtfertigen eine Dokumentation über die Ausstellung.

 Mit dieser Ausstellung, übrigens die erste dieser Art in der Bundesrepublik, die das Verbindende zwischen Juden und Christen aufzeigt und verkündet, hat die Stadt Ahlen mit ihren Bürgern Akzente gesetzt und Impulse gegeben, die nachahmenswert sind, wie viele Besucher - Christen wie Juden - sagen.

 Die Erstellung der Dokumentation war nur möglich durch das finanzielle Engagement zu gleichen Teilen von der Sparkasse Ahlen, der Stadt Ahlen, der Stadtwerke Ahlen GmbH, dem Museum im Goldschmiedehaus Ahlen und der Volksbank Ahlen-Sassenberg-Warendorf eG.



 

Relief aus Sandstein von Adam Stenelt, geb in Freiberg, im einstigen Hochstift Meissen, 1606 Bürger v. Osnabrück, gestorben nach 1631.
Das Epitaph fertigte Stenelt für den Kantor Vincke, der 1616 verstarb. Es zeigt die Beschneidung Christi aus christlicher Sicht. Der Kopf des Kindes ist nicht mehr vorhanden.

Leihgeber: Diözesanmuseum Osnabrück 

In Niedersachsen und Westfalen befinden sich weitere Werke der Bildhauer­kunst von Adam Stenelt.
Sein Vater, Hans Stenelt, war Steiger im Bergbau in Freiberg. Sein jüngerer Bruder, der Bildhauer Hans Stenelt, ebenfalls aus Freiberg, trat 1611 der Stein­metzgilde in Münster bei und heiratete 1623 die Bürgerstochter Margareta zu Hülse.
Die Reihe der überlieferten größeren Werke von Adam Stenelt beginnt mit der Denktafel des Stiftdechanten Eberhard von Mallinckrodt, 1606, in der Osna­brücker Johanniskirche.
In den Annalen der Wasserburg Haus Küchen in Ahlen aus dem 14. Jahrhun­dert von Karl Schulze Henne ist ein Eberhard Freiherr von und zu Mal­linckrodt verzeichnet.
Als bedeutendes Werk Adam Stenelts darf man die Moseskanzel von 1617 nen­nen, die einzige übrigens im westfälischen Raum, die sich in der Wieden­brücker Ägidienkirche befindet. Die Kanzel von Stenelt hat eine Dekalogtafel.

 


Kleine Stutzuhr in Portalform. Paris, Ende 18. Jahrhundert
Die Stundenangaben auf dem Zifferblatt sind in hebräischen Schriftzeichen. Die hebräische Schrift kennt keine Ziffern.
Zwei Löwen bewachen die Gesetzestafeln. Auf den Tafeln ist jeweils das erste Wort von den zehn Geboten geschrieben.
Eine ähnliche Uhr befindet sich im Jüdischen Kulturmuseum Augsburg/ Schwaben.

Leihgeber: Uhrenmuseum Abeler, Wuppertal
 
Sederteller-Pessachteller, 1779, Zinn graviert, mit zwei Marken (Engel in Umschrift „Adam van Seets" / gekrönte Rose mit AVS), Durchmesser 37,5 cm.

Im Spiegel des Tellers sind ein achtzackiger Stern, hebräische Schriftzeichen und ein Lamm graviert.
Leihgeber: Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster
 
Sederteller

Der flache Teller hat einen Durchmesser von ca. 33 cm und ist um 1700 angefertigt und in Zinn gegossen. Der Rand ist dreifach profiliert.
Der punzierte Teller zeigt zwei gleiche Stempelmarken, zwei Henkelvasen mit Blumen und den Buchstaben JS. Es ist der Meisterstempel von JOHAN SCHET-TER (SCHETTLER). Er wird 1686 als Neubürger in Warendorf registriert. Seit 1712 ist er Probiermeister, also beruflich anerkannt, und wohnte auf dem Krickmarkt. Sein Sterbedatum liegt vor 1735.

Neben diesen Informationen weiß man auch durch eine sehr signifikante Gravur, wer der Besitzer des Tellers war, nämlich „I. AMALIA SILKERS".
Der gesamte Boden (der Fachmann nennt den Boden auch Spiegel) ist mit einer Bildgravur aus dem 19. Jahrhundert geschmückt.

Die Umschrift auf dem Rand (Fahne) nennt uns das Paar „Ruth und Naemi" auf dem Weg nach Jerusalem. Naemi mit einem Wanderstab und mit der anderen Hand die Richtung zeigend. Ruth mit der Geste der offenen Armhaltung, die ein „Willkommen" ausdrücken könnte. Sie schreiten gerade unter einem tropischen Baum (Palme), auf dem eine Taube Platz genommen hat. Im Hintergrund eine weitere Person, die in entgegengesetzte Richtung zu einer Burg geht. Weiter zeigt der Hintergrund einen Baum aus unserer Region und ein einzelnes Eichblatt. Auf dem Rand ist eine Rosenranke graviert, die Blume der Liebe.
Die späteren Gravuren aus dem 19. Jahrhundert mit der biblischen Szene lassen darauf schließen, daß das Exponat als sogenannter Sederteller seine Verwendung fand.

Die Rückseite des Tellers, der auch heute als Wandteller dienen kann, zeigt die Buchstabengravur K HD und ein J oder B.
Ein Mosaikstein müßte noch gefunden werden: Wer war und wo wohnte AMALIE SILKERS?

Leihgeber: Heimathaus Warendorf
 
Kidduschbecher, Höhe ca. 12 cm, Silber, punziert mit 800, Halbmond und Krone, nach 1888, deutsch, gegossen, montiert, ziseliert und graviert. Pokalförmig, sechspassige Kuppa, leicht konisch in eine Halbkugel auslaufend, mit Nodus und rundem profiliertem Trichterfuß.
Die Flächen sind mit Rocail-len und hebräischen Schriftzeichen geschmückt. Unter dem Mundrand die gravierte hebräische Inschrift: Gedenke und beachte den Schabbat und heilige ihn. Schenkung aus dem Besitz von Frau Jeanette Wolff, geboren 1888 als das älteste von 16 Kindern in Bochholt (aus religiösem jüdischem Haus), Vater Sozialdemokrat seit 1880.

Ein fast gleicher Becher aus dem Jahre 1738 befindet sich im Besitz des Jüdischen Kulturmuseums in Augsburg.

Leihgeber: Stadtmuseum Bocholt
 
Bessamimbüchse - Gewürzdose, Türmchen form, filigran, mit beweglichem Wimpel und hebräischen Schriftzeichen, echt Silber, punziert mit 84 AC 1895 CA, aufschraubbar, ca. 30 cm hoch, Fuß mit Trauben- und Weinblattmotiven.

Leihgeber: Jüdisches Kulturmuseum Augsburg/Schwaben

Bessamimbüchse - Gewürzdose, echt Silber, punziert E und zwei weitere Punzen, Berlin 19. Jahrhundert, Turmform mit Türchen zum Öffnen, dreistufig mit Spitzdach und Adlerbe-krönung, ca. 28,5 cm hoch.

Leihgeber: Jüdisches Museum Frankfurt


In die Ausstellung „Jüdisches Kultgerät - Jüdisches Leben" im Museum im Goldschmiedehaus Ahlen, wurde für die Dauer der Ausstellung eine Synagoge integriert.
Synagoge
Die Synagoge ist ein Treffpunkt der Juden
ein Ort der Versammlung (Beth Hakensseth) ein Ort der Lehre (Beth Hamidrasch)
ein Ort des Betens (Beth Teffilah)

Jede Synagoge ist unabhängig von anderen und wird vom Vorstand einer Synagogengemeinde geführt.
Die Entscheidungen ihrer Rabbiner in allen rituellen Angelegenheiten werden als richtungsweisend akzeptiert. Jeder Jude ist frei, jede Synagoge zu besuchen, dort zu beten und ihr beizutreten, unabhängig davon, wie weit er gesetzestreu ist oder sich religiös verpflichtet fühlt. Mitgliedschaft heißt, eine bestimmte Summe als Jahresbeitrag zu zahlen.

Menschen anderer Konfessionen sind immer willkommen, eine Synagoge zu besuchen.
Jede Gemeinde, die wenigstens 10 erwachsene männliche Mitglieder zählt, sollte einen festen Ort zum Beten haben. Dieser Ort wird Synagoge (beth knesset) genannt. Man darf in der Synagoge nicht essen und nicht trinken. Eine Frauenabteilung (esrat naschim) ist ein altes und besonderes Merkmal der traditionellen Synagoge. Es folgt dem Vorbild des Tempels in Jerusalem, wo es eine esrat naschim gab, um Leichtsinn und unanständiges und unschickliches Verhalten zwischen den Geschlechtern zu vermeiden, welche möglich wären, wenn die zum Heiligen Tempel kommende Menge sich frei mischen würde.

Bezüglich der Inneneinrichtung einer Synagoge gibt es keine architektonischen Erfordernisse bis auf die richtige Plazierung von Aron HaKodesch und Bima. Eine Synagoge muß folgende grundsätzliche rituelle Gegenstände besitzen: Eine Heilige Lade (Aron HaKodesch) - einen Schrank oder eine Nische in der Wand, wo die Torarollen (Sifrei Tora) aufbewahrt werden. Der Aron HaKodesch steht im allgemeinen an der Wand, die in Richtung auf das Land Israel - Jerusalem - liegt.

Der Vorhang vor dem Aron HaKodesch wird Parochet genannt.

Das Ewige Licht (Ner Tamid) - eine Lampe, die über und etwas vor dem Aron HaKodesch angebracht wird. Man läßt diese dauernd brennen.

Bima ist die Plattform, traditionell von der Lade getrennt, auf der ein Tisch steht (Schulchan). Von diesem Tisch wird die Tora vorgelesen, und der Vorbeter oder Kantor betet der Gemeinde von dort aus vor.
Obwohl nicht unbedingt notwendig, wird oft ein Leuchter (Menora) an eine prominente Stelle nahe dem Aron HaKodesch gestellt.
Es können jüdische Symbole in bunten Glasfenstern, Wandmalereien, Inschriften, religiöse Themen und religiöse Symbole, rituelle Gegenstände oder historische Ereignisse im Leben des jüdischen Volkes sich widerspiegeln. Die einzige Beschränkung ist, daß die Abbildung menschlicher Figuren nicht gestattet ist.

Literatur:
Der jüdische Gottesdienst von Leo Trepp, 1992, W. Kohlhammer Verlag Stuttgart, ISBN 3-17-011077-2,  Seite 12

Jüdisches Leben, Rabbiner CHAJIM HALEVY DONIN, Verlag und Buchvertrieb MORASCHA, Zürich, Seite 195 bis 204.

 

Torarolle mit zwei Rimmo-nim, Gesamthöhe ca. 125 cm, Toramantel (Mappa) ca. 79 cm lang, dunkelroter Samt mit goldfarbener Stickerei und goldenen Fransen. Der hebräische Text sagt: Für die Einweihung schenke ich diese Tora. Rabbi Schlomo bar Joseph, der mit festem Glauben für die Bedürfnisse der Gemeinde tätig ist.

Beim Gebrauch der Tora wird der Mantel abgenommen. In den beiden Rimmonim-Aufsätzen sind jeweils drei ovale Öffnungen, in denen sich drei bewegliche Glöckchen und im Innern ein zusätzliches Glöckchen befindet.

Die beiden Aufsätze mit den beweglichen Wimpeln sind in Silber, punziert mit Halbmond, Krone, polnischem Adler und dem Wort Posen.
Leihgeber: Jüdische Kultusgemeinde, Münster

Torakrone, echt Silber, teilvergoldet, punziert, 1858, Wien

Der untere Kronenrand ist umlaufend mit Akanthusblättern geschmückt. Sie enden in zwei Schilder, in denen sich eine hebräische und deutsche Inschrift befinden: Bei Einweihung dieses Gotteshauses von Simon und Nina Ehrman, 5618 (jüdischer Zeitrechnung). Darüber ein weiterer Rand, der mit verschiedenen Edelsteinen in geschlossenen Fassungen besetzt ist. An diesem Rand sind acht ausladende in Silber gefertigte Einzelteile, vergoldet, befestigt.
Die Einzelteile sind mit verschiedengroßen Edelsteinen in geschlossenen Fassungen geschmückt. Sie dienen auch dazu, acht Bügel der Krone aufzunehmen, die jeweils mit acht vergoldeten Kugeln bestückt sind. Die Bügel treffen sich zu einem aufgetieften Rund, auf dem sich eine vergoldete Kugel befindet. Die Gestaltung der Krone und die handwerkliche Ausführung der Arbeit sind von internationalem Rang.

Leihgeber: Jüdisches Museum Wien

1 Paar Rimmonim - Toraaufsätze, Höhe, ca. 42 cm, echt Silber, teilvergoldet, punziert (TB 13 lötig 1817?). Silberschmiedearbeit. Auf dem plastischen runden Fuß, ca. 13 cm im Durchmesser, ist ein Rohr befestigt, das durch einen Knauf unterbrochen wird.
Am oberen Rohr sind drei Glocken beweglich eingehängt. Auf dem Rohr ist eine Krone mit einer Mutter befestigt. Ein in Silber gegossener Doppeladler dient als Bekrönung.

Leihgeber: Jüdisches Museum Wien

Toraschild, echt Silber, teilvergoldet, punziert und graviert, mit zwei Türkisca-bochons, zwei facettierten Granaten und einem facettierten Amethyst. Im Zentrum die Gesetzestafeln, Krone und die beiden Säulen Jachim und Boas aus dem zerstörten Tempel von Jerusalem. Eine Silberschmiedearbeit von europäischem Rang.

Leihgeber: Jüdisches Museum Wien

Zedaka-Büchse, Almosenbüchse mit Griff, Höhe ca. 22 cm, Durchmesser 15,5 cm, Anfang 20. Jahrhundert, Eisenblech, schwarz gestrichen mit hebräischen Schriftzeichen aus Messing.
Zedaka wörtlich übersetzt bedeudet Rechtschaffenheit in Verbindung mit Wohltätigkeit. „Wenn unter dir ein Dürftiger sein wird, von einem deiner Brüder, ...öffnen sollst du ihm deine Hand...".

Leihgeber: jüdisches Museum Frankfurt

Für die Ausstellung „jüdisches Kultgerät - Jüdisches Leben" im Museum im Goldschmiedehaus Ahlen/Westfalen vom 1. März bis zum 14. April 1998 stellten nachfolgende Museen und Privatpersonen dankenswerterweise Leihgaben zur Verfügung:

Christel und Herbert v. Rohr, Ahlen/Dolberg
Museum im Goldschmiedehaus Ahlen, Werner Fischer
Jüdisches Kulturmuseum Augsburg-Schwaben, Dr. Hanna Rheinz
Stadtmuseum Beckum, Dr. Martin Gesing
Stadtmuseum Bocholt, Georg Ketteier
Stadtarchiv Coesfeld, Kerstin Zimmermann
Förderverein „Alte Synagoge" Drensteinfurt, Dr. Kurt Omland
Jüdisches Museum Westfalen, Dorsten Schwester Johanna Eichmann, Thomas Ridder
Jüdisches Museum Frankfurt/Main Dr. Georg Heuperger, Dr. Annette Weber
Sharon Fehr, Münster
Jüdische Kultusgemeinde Münster
Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster, Gerd Dethlefs
Diözesanmuseum Osnabrück, Dr. Marie-Luise Schnackenburg
Museum für Stadtgeschichte, Paderborn, Dr. Monika Graen
Karl-Heinz Engemann, Telgte
Heitmatmuseum Warendorf, Horst Breuer
Jüdisches Museum Wien, Dr. Gabriele Kohlbauer-Fritz
Ringsammlung Gudrun u. Jürgen Abeler, Wuppertal Wuppertaler Uhrenmuseum